Freitag, 30. April 2010

" Aus der Geschichte der 43.FRBr " (Folge 9)

Vorbemerkung :

Mit dieser Folge verlassen wir ersteinmal die FRA 4324 in Retschow, um auch über die anderen Fla – Raketenabteilungen zu berichten. Eigentlich war Hans – Ulrich Maynicke der erste aus der Retschower Truppe, der unser Projekt Ausstellung „ 50 Jahre Garnisonsort Sanitz „ mit einem Erinnerungsbericht aus den Anfangsjahren unterstützte. Auch der Ausgangsort Pinnow paßte rein, wir wollten aber unbedingt aktuelle Fotos von den ehemaligen Unterkuftsgebäuden der Kaserne in Pinnow als Beigabe besorgen. Hat bisher nicht geklappt, jetzt kommt dafür Uli ins Bild !

Sein militärische Werdegang begann mit dem Eintritt als Freiwilliger in die NVA am 05.04.1961, mit der Einberufung nach Oranienburg. Dort erfolgte die Grundausbildung, danach die Versetzung zur Uffz. - Schule nach Pinnow, Kr. Angermünde und die Ausbildung an der Fla - Raketentechnik. Ungefähr am 15.12.1962 ging es dann für den Uffz. Maynicke in die im Aufbau befindlichen FRA 4324, damals noch 4. Feuerabteilung genannt. Einsatz in den Funktionen als K1 und als Gruppenführer. 1963 folgte die Verpflichtung als Berufssoldat, später die Entscheidung für die Fähnrichlaufbahn in den jeweiligen Dienststellungen Hauptfeldwebel. Nach 25 Dienstjahren Entlassung als Stabsfähnrich. Doch das erzählt Ulrich Maynicke selber:

„Nach der Grundausbildung in Oranienburg und nach Arbeitseinsätzen beim Stellungsbau der neuen Feuerabteilung in Burg Stargard ging es mit vielen Freiwilligen nach Pinnow. Einen Ort, der mir bis dahin unbekannt und fremd war. Bei der Einfahrt zum Objekt kamen mir die dort stehenden Holzhäuser wie eine Art Filmkulisse vor. Wir bezogen unsere Unterkunft nicht im großen Areal, wo die Baracken standen, sondern in einem einstöckigen steinernen Gebäudekomplex. Der bereits hinter einem bewachten Zaun lag. Die Zimmer wurden mit mindestens 10 Soldaten belegt und waren sehr spartanisch eingerichtet. Im Gebäude zogen viele ein. Die ich bereits von Oranienburg her vom Sehen kannte bzw. mit denen ich zusammen in der Grundausbildung war. Nach den üblichen strengen Belehrungen zur Geheimhaltung folgte dann die Kommissionierung, dazu nochmals eine gründliche Einweisung über das persönliche Auftreten und Verhalten sowie die militärischen Gepflogenheiten. Der Kanonier Maynicke meldete sich also : bei den recht streng dreinblickenden Offizieren, die an einer langen Tafel saßen, und ich stand nun vor ihnen. Sie blätterten in ihren Unterlagen und verglichen meine persönlichen Daten mit Ihren Aufzeichnungen. Unklarheiten gab es wohl nicht. Ich wurde gefragt, was ich über Pinnow und über die hier stationierte Technik wüßte und konnte nur mit „ Nichts „ antworten. Die Gesichter der Fragesteller erhellten sich bei meiner Antwort zwar nicht, wurden aber auch nicht finsterer. Danach sollte ich meine Vorstellungen zu eventuellen Ausbildungswünschen äußern. Vorgegeben wurden mir „ große Wagen „ oder Kabinen mit elektrischen bzw. elektronischen Geräten oder große Geschütze. Mir ging alles im Schnelldurchlauf durch den Kopf, da meine Antwort nun erwartet wurde. Zum Strom hatte ich ein gespaltenes Verhältnis : ein Jahr zuvor, also 1960, hatte ich während des Winterurlaubs versucht, die Langlaufskier mit einem elektrischen Bügeleisen zu wachsen, am Handgriff erhielt ich einen Stromschlag. Ich konnte meine Hand nicht mehr öffnen und zog das Kabel irgendwie aus dem Stecker, dabei fiel mir das Bügeleisen auf den Zeh !

Aber meine Entscheidung war klar, ich wollte Koch werden. Diesen Wunsch trug ich dann auch so vor. Einige hinter der langen Tafel lachten und der „ Chef „ lieferte zur Ablehnung gleich eine Begründung dazu : wir bilden hier keine Köche, Schneider und Friseure aus ! Ich könnte mir das Ganze nochmal draußen vor der Tür überlegen und schickte mich dann mit einem freundlich gemeinten „ Raus ! „ aus dem Zimmer. Im Flur erwartete mich ein anderer Offizier, der ruhig und sachlich mit mir sprach und darauf verwies, dass wegen der Geheimhaltung keine konkreten Angaben zur Art der Technik gemacht werden könnten. Auch bei dem zweiten Versuch, mich als Koch zu bewerben, erhielt ich erneut eine Auszeit. Es war eigentlich nicht meine Absicht, die Kommissionierungsgruppe zu provozieren. Mein „ Betreuer „ im Flur sagte dann fast väterlich zu mir, Du bist doch KANONIER ( unser erster Dienstgrad ), das kommt von dem Wort KANONE. Ich hatte es aber in meinem Ausbildungswunsch wohl eher von Gulasch – Kanone abgeleitet. Und weiter : „ Du willst doch nicht 2 Jahre in der Wachkompanie dienen oder ? „. Bei mir war nun alles klar. Eine erneute Vorstellung bei der Kommissionierung über meine Entscheidung ergab Zufriedenheit und ich unterschrieb, wurde beglückwünscht und hörte nur leise den Eintrag in den Unterlagen, „ Feuerbatterie „. Ich wußte aber auch nicht mehr als vorher. Am Abend trafen wir uns bei „Viktor“, der Wirt im Objekt hieß so, und ich erfuhr von den anderen Mitstreitern bei mehreren ½ Liter Bier im Stehen, daß es ihnen ähnlich ergangen war.

Es gab Soldaten, die mit Funk- und Elektrotechnik zu tun hatten in großen Kabinen und welche, die in der Feuerbatterie waren. Jetzt ging die Ausbildung getrennt in einem großen Lehr - gebäude weiter. Zu dieser Ausbildung mußten wir durch eine weitere geheime Zone, anschließend in eine Lehrklasse. Wir kamen nur in Begleitung eines Offiziers unter Abgabe des Dienstausweises und Aushändigung eines grünen Sonderausweises durch die Wache in die nächste Zone ( es gab wohl 3 davon). Natürlich wieder Belehrungen über Geheimhaltung und Umgang mit Sonderausweisen. Im großen Klassaenzimmer stellte sich unser Lehrer vor. Es war Hptm. Kloss, der uns nun gesagthat, oder sagen durfte, daß wir an Fla-Raketen ausgebildet werden. Unser Erstaunen und unsereNeugierde waren natürlich sehr groß. Es wurden für uns und durch uns GVS – Bücher für den Unterricht angelegt, denn Schul - oder Lehrbücher gab es nicht. Die Bücher wurden nach Unterrichtsschluß auf Vollzähligkeit der Seiten kontrolliert, dann in einer VS – Tasche versiegelt und vonVS – Bevollmächtigten in die VS – Stelle gebracht. Hptm. Kloss sagte uns auch regelmäßig, wenn wir bestimmte Sachen aufschreiben mußten.

Wir wußten nicht, daß uns diese Bücher noch viele Monate und Jahre begleiten sollten, denn sie waren die Grundlage für die theoretische und praktische Ausbildung als auch für den Gefechtsdienst. Papierkörbe wurden auch kontrolliert und nach Unterrichtsschluß der Inhalt getrennt. Papier wurde geschreddert und eventuelle Essenreste in einen Kübel geworfen. Fenster wurden nach Frischluftzufuhr wieder geschlossen und versiegelt. Während des Unterrichts wurde der Klassenraum durch den Lehrer verschlossen (Unberechtigte hatten keinen Zutritt ) ! Nur zu den Pausen konnten wir an den dafür vorgesehenen Plätzen rauchen. Wir waren von der Art des Unterrichtes von Hptm. Kloss richtig begeister. Er hatte seine Ausbildung in der Sowjetunion erhalten und sprach perfekt russisch. Es wagte auch keiner von uns, im Unterricht undiszipliniert aufzutreten. Zur theoretischen Ausbildung einer Feuerbatterie ( später Startbatterie genannt ) gehörten die einzelnen Komplexe : die Startrampe, die Fla - Rakete ( als „ Produkt „ bezeichnet ), das Transport – und Ladefahrzeug TLF, das Zugmittel für die Startrampe ( Artillerie – Transportschlepper ATS ), der Ersatzteil – und Wartungssatz ( EWZ – Satz ).

Wir konnten kaum den Tag erwarten, wo wir diese Technik in einer weiteren geheimen - von hohen Zäunen getrennten - undurchsichtigen Zone in Natura sehen durften. Es war ein unbeschreibliches Bild, was wir dann an Waffentechnik vorgefunden haben. Niemals hatte man dieses Waffensystem vorher sehen können, außer in Pinnow. Die “ Stammbesatzung “, die auch Lehrunterweisungen zu den einzelnen Großgeräten durchführten, beantworteten uns dann auch Fragen. Wir haben unsere „ Kumpels “ aus den Kabinen getroffen, die ja während der Ausbildung - im Gegensatz zu uns - nur zu Pausen aus dem großen Fahrzeug geklettert kamen. Es befanden sich im Komplex auch viele sowjetische Ingenieure. Die Technik war großräumig, wie zu einer Messe, zur Besichtigung aufgebaut. In der tatsächlichen Feuerstellung sah die Aufstellung natürlich etwas anders aus. Jetzt konnten wir uns auch das ständige Dröhnen der Aggregate erklären, sie liefen oft Tag und Nacht und dienten zur Stromversorgung der Technik.

Unsere Ausbildung erfolgte immer abwechselnd im Klassenraum und an der Technik, dazu marschierten wir in Drillichuniform, mit Brotbeutel, Feldflasche und gerollter Zeltbahn in die geheime Zone. Stets auch das gleiche Ritual : Dienstausweis abgeben, Sonderausweis empfangen und vorzeigen ... Die Ausbildung war natürlich auch wetterabhängig. Bei Regenwetter wurde die Zeltbahn zu einem Umhang geknöpft, der uns dann ca. 1 Stunde vor Durchnässung schützte, eine Feldflasche warmer Kaffee mußte bis zur nächsten Esseneinnahme reichen. Schmalzbrot haben wir uns auch noch in den Brotbeutel gesteckt. Unsere „ funktechnischen “ Mitkämpfer haben wir oft wegen der wohltemperierten Arbeitsplätze beneidet. Der Herbst und das schlechte Wetter bei der Ausbildung an Rampe, Rakete und TLF ging uns langsam auf die Nerven. Außer Politunterricht, der in den Unterkuntsräumen durchgeführt wurde, kann ich mich an keine anderen Ausbildungsstunden erinnern. Es wurde Militärische Körperertüchtigung (MKE) durchgeführt und auch ein Marsch durch das Dorf Pinnow. Waffenreinigen und Stuben – und Revierreinigen waren natürlich auch obligatorisch. Ausgang gab es ebenfalls, wer allerdings mehr als zweimal in Angermünde war, hat danach freiwillig später auf weiteren Ausgang dorthin verzichtet. Man konnte aber nach den kargen Essenportionen in der Dienststelle mehrmals preiswert in den verschiedenen Gaststätten essen. In Tanzlokalen sah man eigentlich nur Uniformen, auch mit höheren Dienstgraden und nur wenige weibliche Besucherinnen. Da wir Uffz. - Schüler waren, mußten wir uns in der Schlange hinten anstellen, konnten also nur den 3. Preis machen. Auf der Eisenbahnstrecke von Angermünde Richtung Kaserne Pinnow sind wir auf den Bahnschwellen gelaufen, um pünktlich 24.00 Uhr in der Unterkunft zu sein (Züge sind in der Gegend wohl kaum gefahren und andere Verkehrsmittelgab es auch nicht). Wer im Objekt bei „ Viktor “ einen Platz ergatterte hatte, der hatte großes Glück, denn es standen bereits wieder 3 - 4 Mann hinter jedem Sitzenden. Man konnte gut essen, schmackhafte Bratkartoffeln mit Spiegelei war Standardgericht. Bis zum Servieren des Essens konnte man schnell noch 2 - 4 ½ Liter und viele doppelte „ Pfeffis “ zu sich nehmen.


Noch einige abschließende Bemerkungen zu meiner Ausbildung. Nach einer gewissen Zeit gab es langsam bei einigen wenigen Angehörigen der Funktechnischen Kompanie eine Tendenz zu einer gewissen Überheblichkeit gegenüber den Kanonieren der Startbatterie. Sicherlich war derAnlass dafür, daß die Arbeit in den Kabinen mit der Elektronik schwierig war und viel technisches Wissen und Verständnis usw. erforderte. Aber auch die Startrampen und und Raketen hatten sehr viel Elektronik in ihrem Inneren. Auch wir mußten Schaltbilder und den Verlauf von Stromkreisen usw. bis zur Perfektion erlernen und beherrschen. Hinzu kam noch die schwere körperliche Arbeit an der Technik selbst, also an Rampe und Rakete, z.B. Startrampe von der Marschlage in die Gefechtslage und umgekehrt, Ladebleche für TLF und Startrampe mit Erdspornen und Rammbär in der Stellung befestigen usw. Das Be - und Endladen der Raketen von und auf die Startrampe in der geforderten Normzeit war ebenfalls mit großen Kraftanstrengungen verbunden. Das Problem hat sichdann aber bald fast von alleine erledigt, als nämlich bei einer Überprüfung der Gefechtsbereichtschaft unsere Abteilung nach Normzeit auf - und abgebaut werden mußte. Während die Startbatterie in der Normzeit lag, wurden wir zur „ sozialistischen “ Hilfe für die Funktechnische Kompanie abgestellt, um den Gesamterfolg zu gewährleisten. So ist es nun einmal bei einem kollektiven Waffensystem … “

Von uns an alle Ehemaligen, an alle Freunde und interessierten Leser unserer Folgen „ Aus der Geschichte der 43. FRBr „ alles Gute und viele Grüße zum 1. Mai !
- Fortsetzung folgt.

Definitionen von "Sieg"

Ich las die Tage: »Persönlich halte ich die "Unbesiegbarkeit" der Afghanen für einen Mythos. Wenn man es richtig anstellt kann man jeden Feind besiegen.«

Dem möchte ich Zustimmen und ergänzen: Kommt schlicht darauf an, wie man "Sieg" definiert. Zu unterscheiden sind meiner Meinung nach zwei grundlegende Möglichkeiten:

a) Unterwerfung des Feindes und aufzwingen des eigenen Willens
Das daraus folgende "temporäre Problem" kannte bereits Alexander der Große: Die übriggebliebenen Feinde werden sich irgendwann rächen. Folge sind permanente Kriege, wobei immer der Aktuelle der Letzte sein soll. Alexander der Große - der angeblich auch in Afghanistan gewesen sein soll - wollte das Problem durch Assimilation lösen ... die Sieger Assimilieren sich mit den Besiegten. Die Römer wollten das später nur eingeschränkt, und trotz beeindruckender Zeitdauer ging auch ihr Reich unter. Die Sieger des WK II woll(t)en das Problem mit "Umerziehung" und im Westen zusätzlich mit "Bestechung", wie "Rosienenbombern" lösen. In Afghanistan zuerst im Bunde mit den lokalen Warlords und Drogenbarone praktiziert.

b) Vollständige Vernichtung / Ausrottung des FeindesVon den Römern erfolgreich gegen Karthago angewendet, von den Deutschen partiell im WK II. Bereits im Jahr 1904 von Generaloberst Graf von Schlieffen formuliert: "Der entbrannte Rassenkampf ist nur durch die Vernichtung einer Partei abzuschließen." Erst die Atombombe schuf die praktische Möglichkeit (sowie mit Vorbehalten B- und C-Waffen) für eine erfolgreiche Umsetzung.

Es ist zu beobachten, welche Variante die USA / NATO nach Scheitern der Variante a) "wählt".

update (23.05.2020) Eine Ergänzung (von Saker):
»Dann gibt es das Problem mit der Definition von Sieg.

In der politischen "Kultur" der USA wird Sieg gewöhnlich definiert als das Drücken einiger weniger Knöpfe, um einige Abstandswaffen abzufeuern, viele Zivilisten zu töten und dann zu erklären, dass die "unentbehrliche Nation" dem anderen "in den Arsch getreten" hat.

Das Problem dabei ist folgendes: Wenn der andere Typ sehr sichtbar schwächer ist und keine Chance auf einen eigenen militärischen Sieg hat, dann ist die beste Möglichkeit für ihn, zu erklären, dass "überleben gewinnen heißt" (...)«

Donnerstag, 22. April 2010

Ich zahle gern GEZ!

Ja, ich zahle inzwischen wirklich gern die 53,94 EUR GEZ im Quartal. Obwohl das noch nicht alles für Film und Fernsehen ist. Im Monat sieht es z.Z. so aus (gerundet):

GEZ = 18,- €
Kabelanschluß = 10,- €
Sky-Abo = 20,-
Videothek = 22,-
Kauf-DVD = 30,-
------------------
Summe = 100 €

Mein o.g. Budget für den Kauf von DVDs i.H. von ca. 30 Euronen gehen nunmehr zusätzlich in die Hände der ARD. Mit ihrer Edition "Straßenfeger", ist ihnen wirklich etwas Gutes gelungen. Letztes Jahr erschienen die ersten Folgen des "unsichtbaren Visieres" und demnächst nicht nur der Abschluß der Achim-Detjen-Reihe, sondern generell der Folgen des "Visiers" i.e. Sinn.

Nun lese ich, daß im Herbst 2010 auch "Das Licht der schwarzen Kerze" auf 3 DVDs und die "Front ohne Gnade" auf 4 DVDs erscheinen soll. Da macht GEZ-zahlen Spaß!

P.S. »Die Hörrundfunkgebühren betragen 2 Mark, bei Betreibung eines Autoradios zusätzlich 0,50 Mark. (Höchstgebühr für R., Fernsehen I. und II. Programm sowie Autoradio: 10,50 Mark.) [DDR-Handbuch: Rundfunk. Enzyklopädie der DDR, S. 5491 (vgl. DDR-HB, S. 1132) (c) Bundesministerium des Innern]

Hinweis:
Das ist kein von der GEZ bezahlter Werbebeitrag, sollte es aber sein ;-)

Sonntag, 18. April 2010

Notizen: Vulkanasche und Flugverbot

EU-Flugverbot
»Dass ein Vulkan den Flugverkehr eines ganzen Erdteils nahezu komplett lahmlegen kann, ist ein Novum in der Luftfahrtgeschichte ... Das Chaos im Luftverkehr kostet die Fluggesellschaften mindestens 150 Millionen Euro Umsatz jeden Tag, wie der Branchenverband IATA am Freitag mitteilte.« (Alles Schall und Rauch)

»Air-Berlin-Chef Joachim Hunold kritisiert die Behörden heftig: Das Flugverbot über Europa sei unbegründet und schade dem Geschäft massiv. Auch Lufthansa, KLM und Austrian Airlines üben Kritik. Hunold sagte: "Es ist in Deutschland noch nicht mal ein Wetterballon aufgestiegen, um zu messen, ob und wie viel Vulkanasche sich in der Luft befindet."« (Alles Schall und Rauch)

Russland fliegt
Obwohl Flüge nach Westeuropa aufgrund der Flugverbote gestrichen werden mußten, "sehe die Rosaviazia [russische Luftfahrtbehörde; Veith] vorerst keinen Grund, den russischen Luftraum für den Flugverkehr zu sperren. Derzeit gäbe es keine Restriktionen. Weder Wetterbehörden noch Fluggesellschaften hätten Aschewolke gemeldet, sagte Iswolski. Obwohl der Flugverkehr in mehr als 20 europäischen Staaten lahm liege, funktioniere der Flughafen der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad (früher Königsberg) ohne Beeinträchtigung« (Novosti)

Ein Streik der Fluglotsen ist vom Tisch
»Nach ihrer Tarifeinigung wollen Deutschlands Fluglotsen die Wiederaufnahme des Luftverkehrs geräuschlos meistern - sobald die Aschewolke abzieht ... Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) und die GdF hatten sich am Freitag in ihrem Tarifstreit geeinigt ... Die Lotsen hatten zuvor ohnehin die ursprünglich für Dienstag vorbereiteten Arbeitskämpfe wegen der Aschewolke ausgesetzt ... Theoretisch hätten die Fluglotsen mit einem Streik einen Großteil des Luftverkehrs zum Erliegen bringen können« (Zeit-Online).

Übungen
NATO-Übung "Brilliant Ardent 2010" findet vom 12. bis 22. April 2010 in Nordeuropa statt (Amt für Flugsicherung der Bundeswehr).
Bundeswehrübung "Iron Taurus" vom 16. April bis 11. Mai 2010
»Die Bundeswehr probt in Niedersachsen auf dem Truppenübungsplatz Bergen den Ernstfall, außerdem sind Szenarien in Sachsen-Anhalt und Brandenburg [grob: Hannover-Hamburg-Potsdam; Veith] geplant. Poloczek [Oberstleutnant der 1. Panzerdivision; Veith] kündigte bis zum 11. Mai einen regen Austausch von Truppen und Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen an. „Es ist eine Großübung, die es in diesem Raum in den letzten 10, 15 Jahren nicht gegeben hat“, so Poloczek weiter. „Wir wollen so einsatznah und afghanistannah wie möglich ausbilden“ (Hit-Radio

Die Übungsserie LÜKEX ist in 2010 durch. »Sie knüpfen unter veränderten Bedingungen an die NATO-„WINTEX-Übungen“ an, die bis 1998 regelmäßig vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts stattfanden und in dem Teilbereich „CIMEX“ neben dem militärischen Teil wesentliche Komponenten der „Zivilen Verteidigung“ enthielten« (Wikipedia). In der BRD fanden seit 2004 vier LÜKEX-Übungen für den Krisenstab der Bundesregierung sowie die Krisenstäbe der Landesregierungen statt. Folgende Szenarien wurden zugrunde gelegt und in ihren gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen simuliert:

* LÜKEX 04:
Terroranschlag auf See und großflächige Stromausfälle (vgl.: Operation Atlanta 2008 und Münsterland 2005),
* LÜKEX 05: „WM 2006“
* LÜKEX 07: Pandemie
(vgl.: Schweinegrippe in 2009)
* LÜKEX 09 /10: „Schmutzige Bombe“
Thema: Androhung und Durchführung von Terroranschlägen mit CBRN-Tatmitteln (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe).

EU-Katastrophenschutz: »Die in den letzten Jahren angestiegene Zahl großer Katastrophen (2004: Tsunami in Asien, 2006: Krieg im Libanon, 2007: Waldbrände und Hochwasserkatastrophen in Europa) und die Gefahr, dass diese Katastrophen aufgrund des Klimawandels immer häufiger auftreten, verlangen die Anpassung und Modernisierung der Abwehrmaßnahmen der Europäischen Union« (EU in 2008).

Die Agenda "SINGLE EUROPEAN SKY"»Das europaweite Flugverbot durch Eurocontrol fällt in die “Entwicklungsphase” der seit 2001 durch die EU betriebenen Agenda “Single European Sky”, die bis 2020 vollständig abgeschlossen sein soll, und zwei Tage vor eine Strategietagung der EU-Kommission in Brüssel mit Vertretern aus Luftfahrtindustrie und staatlichen Institutionen. Thema: Eurocontrol und das “Management der Flugsicherheit in Europa” bis zum Jahre 2020 ... Die Agenda wurde in drei Phasen geplant: einer “Definitionsphase” (2005-2008), einer “Entwicklungsphase” (2008-2013) und einer “Umsetzungsphase” (2014-2020). Kernstück von “Single European Sky” war die EU-Verordnung (EG) Nr. 551 vom 10. März 2004, die sogenannte “Luftraum-Verordnung”. Sie beinhaltete eine komplette Neuordnung der Struktur des Luftraumes über Europa, eine Koordination der militärischen und zivilen Luftfahrt und eine “Harmonisierung” des Luftverkehrs durch eine Fülle von Regelungen und Bestimmungen zur zentralen Lenkung der Luftverkehrsflusses« (radio-utopie).

update (19.04.2010)
»Just im September 2009, ..., gab die ICAO einen neuen, fast für den gesamten weltweiten Luftverkehr verbindlichen, “Ausweichplan” (“contingency plan”) heraus. Inhalt dieses Plans: Zu ergeifende Massnahmen im Falle eines Vulkanausbruchs und einer sich daraufhin ausbreitenden Aschewolke im nordatlantischen Raum« (radio-utopie).

update (21.04.2010)
Die Zeitschrift "Pilot und Flugzeug" sieht die Ursache für Vulkanasche und Flugverbot in der "Bürokratie": »Die Außergewöhnlichkeit der Situation in Europa wird schon dadurch belegt, dass eines der vernünftigsten Statements zu einem Aviatik-Thema ausgerechnet im ansonsten technologisch eher unbeleckten Feuilliton der FAZ zu finden ist:
Die Vorsicht der Behörden ist verständlich. Wer wollte für einen Absturz verantwortlich sein? Es geht auch nicht darum, die Triftigkeit von Simulationen prinzipiell zu bestreiten. Es geht darum, dass sie so sehr als Tatsachen gehandelt werden, dass Entscheidungsabläufe erzwungen werden, die keinen Raum mehr für Erfahrung, Intuition, vulgo: den gesunden Menschenverstand lassen."«
Radio-Utopie schreibt über den nun endlich erfolgte Messflug u.a.: »Zitat aus dem Anfang Originalbericht der DLR (2), in englisch verfasst:

“Die Konzentrationen von großen Partikeln, die in der vulkanischen Schicht (Anm.: der Luftschicht mit Partikeln von Vulkanasche in 7000-4000 Metern Höhe) gemessen wurden, sind vergleichbar mit Konzentrationen, die üblicherweise in Wolken aus Staub der Sahara gemessen werden, aber kleiner im Vergleich zu Partikelkonzentrationen in der verschmutzten Grenzschicht (Anm.: die Luftschicht in 2000-3000 Meter Höhe mit normaler Luftverschmutzung.) Eine Einschätzung der Partikelkonzentration in der vulkanischen Aschewolke, die als Teil eines vertikalen Profils über Leipzig in ungefähr 4 Kilometern untersucht wurde, ergab 60 μg/m3.”

60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Nun, der Grenzwert für Autoabgase in Graz liegt bei 50 µg/m3 und wurde 2006 immerhin in 120 Tagen um bis das Dreifache überschritten. Von einem Vulkanausbruch darf ausgegangen werden.

“Nach dem Flug wurde die Falcon untersucht. Bisher wurden keine Schäden festgestellt, einschließlich der Maschinen (nach einer Boroskopie) und den Fenstern. Weitere Machineninspektionen laufen. Silberfolien, die an unter den Flügeln angebrachten Stationen angebracht waren, zeigten keine sichtbaren Auswirkungen von Vulkanasche“

Reicht´s? Na dann hier noch einen Abschnitt über die Messergebnisse über Leipzig.

“Für diese vorläufige Analyse, wurde für den groben Partikelbereich ein Lichtbrechungs-Indexwert entsprechend veröffentlichter Daten benutzt (ohne jedoch zu wissen, ob die untersuchten Partikel des gleichen Typs sind.) Deshalb müssen die Daten mit Vorsicht benutzt werden, wegen der Möglichkeit systematischer Fehler.“«

update (21.08.2012)
Flugausfälle wegen obiger Vulkanaschewolke seien "höhere Gewalt". Hierfür muß ein Reiseveranstalter keinen Schadensersatz leisten, entschied das Amtsgericht München am 18. August 2012 (Az.: 222 C 10835/11).

»Ein derartiges von außen kommendes Ereignis sei nicht vorhersehbar. Es weise auch keinen betrieblichen Zusammenhang auf. Überdies sei eine Aschewolke nicht abwendbar. Es handele sich vielmehr um höhere Gewalt, für die ein Reiseveranstalter nicht verantwortlich gemacht werden könne« (law blog).

Samstag, 17. April 2010

Das unsichtbare Visier (Folgen 09 - 16)

"Das unsichtbare Visier" erscheint nun - mit Verspätung - vollständig auf DVD! Der nunmehrige Veröffentlichungstermin war der 17. Mai 2010. Zwischenzeitlich sind die DVD bereits erschienen. Ich hatte an diesem Wochenende (8./9. Mai 2010) bereits die Scheiben im DVD-Player :-]

Der ARD-"Straßenfeger 26 - Das unsichtbare Visier II" bringt die schmerzhaft vermißte letzte Achim-Detjen-Folge "Sieben Augen hat der Pfau". Hinzu kommen die Folgen der "Doktor-Gruppe":

"Der Afrikaanse Broederbond I
"Der Afrikaanse Broederbond II
"Der Afrikaanse Broederbond III

und
"King Kong Grippe I"
"King Kong Grippe II".

Ebenfalls enthalten sind die Folgen über einen ehemaligen französischen Algerienkämpfer, Marcel Laffitte, und dem Schicksal seiner Familie:
"Insel des Todes I"
"Insel des Todes II"

Jetzt fehlt "nur" noch der "Feuerdrachen", dann wäre diese Serie komplett :-)

update (04.06.2010)
Auf amazon.de erscheint die DVD voraussichtlich erst am 22. November 2010 und sogar 50 Eurocent teuerer als bei der ARD direkt ... schade, aber vielleicht geht es doch schneller ...
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/B003GY5LBK/ddrluftwaffde-21

Fragen an das MfS

Auf ca. 379 Seiten gibt es Antworten zu Fragen über die "Stasi". Der Buchtitel lautet daher vollständig: "Fragen an das MfS - Auskünfte über eine Behörde". Herausgeber sind Generale des MfS Werner Großmann und Wolfgang Schwanitz.

Der ungewohnte Frage - Antwort - Stil stellt kein Novum dar und lehnt sich m.E. bewußt an das in der DDR populäre Buch "Dialog mit meinem Urenkel" von Professor Jürgen Kuczynski an. Und um ein solchen "Dialog" geht es nach meiner Auffassung auch: Die heute gängigen Klischees und Vorbehalte werden in Fragen gepackt und sachlich und - soweit es der Rahmen zuläßt - umfassend beantwortet. Das sind grundsätzlich die Fragen, die auch meinen Nachwuchs bewegen und der mich auch schon mal zur NVA fragt, "Wie konntest du einem Unrechtsstaat dienen?!" Um die Beantwortung darf ich mich nicht drücken und die Autoren dieses Buches drücken sich nicht.

Eigentlich dachte ich, ich weiß alles Wesentliche über das MfS, aus persönlichen Erleben, Gesprächen, Literatur und natürlich eigenem Nachdenken. Die Berichterstattung über die Konferenz von Odense habe ich am heimischen Monitor verfolgt. Weit gefehlt! Ich hatte bereits unbewußt den Überblick über die ganzen Anschuldigungen von "Zwangsadoptionen" über die "RAF-Verrentung" bis zum "Killerklempner" verloren. Vieles in den Massenmedien lockt mir nur noch ein Gähnen hervor, vieles ist banal. Im Vorwort zum Buch heißt es richtigerweise: "Viele dieser Fragen klingen in den Ohren der Eingeweihten banal: Das weiß man doch, das ist doch logisch! nein, für die heute 20- oder 30-Jährigen ist nicht alles logisch und schon gar nicht bekannt." Obwohl ich inzwischen bedeutend älter bin, war mir vieles im Zusammenhang nicht bekannt und es ist der Verdienst der Autoren, mir diesen Überblick gegeben zu haben. Aufmerksam bin ich auf das Buch erst durch Negativrezensionen in Massenmedien und Verbotsforderungen geworden, dafür Danke!

Die rd. 200 Fragen sind in Themenkomplexe zusammengefaßt, wie "Schlimmer noch als das MfS selbst waren offenbar die IM" oder "Hat das MfS gemordet?", wobei diese wiederum mit einzelnen Fragen untersetzt wurden. Zum letzteren Thema wird z.B. gefragt: "Das MfS soll Killerkommandos im Einsatz gehabt haben" oder "Und wie verhielt es sich mit Auftragsmorden?" Ebenfalls wird zu den Fällen "Kurras" und "Gartenschläger" Stellung genommen.

Kritikwürdig ist in meinen Augen, das häufige "DDR-typische" Fehlen von Quellenangaben. Das wird dem populärwissenschaftlichen Stil des Buches und den heute fehlenden Möglichkeiten der Autoren geschuldet sein, allerdings wird - wenn es paßt - aus bundesdeutschen Zeitungen zitiert bzw. auf diese verwiesen. Positiv ist noch zu erwähnen, die - kurze - Literaturliste am Ende des Buches.

Mein Fazit: Kaufen!
(http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3360018133/ddrluftwaffde-21 - Übrigens, das Buch ist selbst über das "Handelsblatt" zu beziehen :-D)

Samstag, 3. April 2010

Aus der Geschichte der 43. FRBr ( Folge 8 )



Vorbemerkung :
rechtzeitig zum Osterfest erscheint die nächste Folge. Es ist die Fortsetzung des bisherigen Beitrages von Ludwig Hümer, diesmal seine Erinnerungen und Erlebnisse bis zu seiner Entlassung aus dem aktiven Dienst. Der Anfang war der 30.09.1961, seine Einberufung. 1962 dann Gefreiter, 1963 Stabsgefreiter und Startrampenführer in der 4. Abteilung in Retschow. Das nebenstehende Foto stammt aus diesem Jahr, Bad Doberan 1963. Rückkehr aus Ashuluk ( UdSSR ) vom ersten Gefechtsschiessen der Abteilung. 1964 wird Ludwig Hümer zum Unteroffizier ernannt und als VS - Stellenleiter eingesetzt. Zuletzt ist er Fähnrich und Leiter des Med. Punktes. Aber das alles kann man selbst nachlesen in seinem Bericht ...

Quelle : Erinnerungsbericht L. Hümer


Er beschreibt, wie es weiterging : " ... im Herbst 1963 gab es die ersten größeren Personalveränderungen. Der Kommandeur der FRA ( K – FRA ), Hptm. Pohl, der Stellvertreter des Kommandeurs für Politische Arbeit ( StKPA ), Hptm. Wyrembek und der Stellvertreter des Kommandeurs für Rückwärtige Dienste ( StKRD ), Hptm. Riewolt, beendeten ihren aktiven Dienst und verließen uns. Dafür kamen in die jeweiligen Funktionen Maj. Pedde, Maj. Jährling und Obltn. Heßler. Mein Zugführer Ultn. Kocher ging an eine Militärakademie in die UdSSR und für ihn kam der Ultn. Blaschczok.

Eigentlich wäre meine Dienstzeit auch zu Ende gewesen, aber ich verpflichtete mich zunächst für 1 Jahr länger, wurde Stabsgefreiter und als Startrampenführer eingesetzt. Zur Seite hatte ich eine tolle Startrampenbedienung. Kontinuierlich unterboten wir im Gefechtsdienst die Normzeiten, teilweise sogar erheblich. Ultn. Blaschczok war schon damals ein Organisationstalent und wir verbrachten in unserer knappen Freizeit viele schöne Stunden miteinander, so unter anderem in Rostock auf dem Ausflugsschiff „ Undine „. Da das Leben an der Startrampe nicht unbedingt das „ Gelbe vom Ei „ war – wir waren ja immer den Bedingungen der Natur unter freiem Himmel ausgesetzt – entschloß ich mich 1964 zu einer 12 – jährigen Dienstzeit als Berufsunteroffizier. Der Anlass dazu war, dass in der Abteilung ein VS – Stellenleiter gesucht wurde. Also, ein Verantwortlicher für Verschlußsachen. Um ehrlich zu sein, mich reizte im Vergleich zur früheren Funktion der nun trockene und warme Arbeitspatz. Allerdings wußte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was da in den nächsten Jahren auf mich zukommen sollte. Wie schon beschrieben, gab es damals bei der Geheimhaltung manch seltsame Blüten. So wurde jedes Blatt, wo auch nur ein Wort in Russisch drauf enthalten war, mindestens als „ VVS – Vertrauliche Verschlußsache „ eingestuft. U.a. auf diese Art und Weise auch die Beschreibung einer ganz normalen Stoppuhr !

Da es keine gesonderte VS – Schreibkraft gab, mußte ich fast den gesamten entsprechenden Schriftverkehr der FRA im Zwei – Finger – Suchsystem auf der Schreibmaschine bewältigen. Eine enorme Nebenbelastung. Auch wenn zugegebenermaßen im Laufe der Jahre meine Perfektion darin immer besser wurde …

Im Herbst 1965 verließ uns Maj. Pedde wieder. Er war ein korrekter und gerechter Kommandeur. Unter seiner Führung brachte es unsere Abteilung innerhalb eines Jahres vom letzten auf den ersten Platz im Regiment. Als „ Neuer „ kam nun Hptm. Mahlke zu uns nach Retschow, frisch von der Akademie. Sein Start als Kommandeur war jedoch denkbar schlecht. Über die Festtagsperiode 1965 / 66 hatten wir gleich 2 schwere Verkehrsunfälle : zum einen rutschte in Bad Doberan ein G – 5 mit Festtagsurlaubern gegen einen Baum, quetschte eine Frau so schwer ein, dass ihr Arm amputiert werden mußte. Zum anderen fuhr dann auch noch eine schwere KRAZ – 214, wiederum mit Urlaubern, in Rostock auf einen Pkw „ Wartburg „ auf und beschädigte ihn schwer.

Mit der Zeit hatte ich mich in der VS – Stelle ganz gut eingearbeitet und wußte fast im Schlaf, wo welches Dokument sich befindet und was es beinhaltet. Als VS – Stellenleiter weiß man ja sehr viel – auch Dinge, die einen eigentlich gar nichts angehen. Ich habe dieses Wissen allerdings immer für mich behalten und niemals zu meinem Vorteil ausgenutzt. Meine Vorgestzten waren wohl auch mit meiner Arbeit zufrieden, denn ich wurde 1965 / 1966 dreimal vorzeitig befördert. Im Jahre 1966 verbesserten sich meine Arbeitsbedingungen : Frau Mahlke wurde als VS – Schreibkraft bestätigt. Sie arbeitete sich schnell ein und wir hatten viele Jahre lang ein gutes und freundschaftliches Verhältnis zueinander. Wir Unteroffiziere des Stabes wurden gern zu Sonderaufgaben eingesetzt. Bei den damals üblichen Komplexausbildungen wurden wir häufig als sogenannte „Diversanten“ eingesetzt. Eine Episode dazu: die gesamte Abteilung begann die Ausbildung in der Dunkelheit mit einem Marsch. Dabei war ein Waldweg in einer Länge von ca. 5 m mit 10 cm hohem Wasser überflutet. An dieser Stelle spannten wir quer ein Seil und setzten dann eine Nebelwand. Der Personalbestand musste Schutzbekleidung anlegen und weiter maschieren, voran der Kommandeur, Hptm. Mahlke. Wir hörten dann nur noch wildes Plantschen und lautes Fluchen und machten uns schleunigst davon. Und : der „ Alte „ fand diese Einlage nicht so gut ...

Viele ältere Armeeangehörige hatten damals nur einen 8 - Klassen Grundschulabschluss. Um das Bildungsniveau zu heben, wurden AGA - Lehrgänge, d. h. Allgemeine Grundlagenausbildung, eingeführt. Diese dreimonatigen Lehrgänge fanden für den Bereich der 3. Luftverteidigungsdivision ( 3. LVD ) bei uns in Retschow statt. Anfang 1967 wurde auch ich dazu befohlen. Aus unserer FRA waren Hptm.Birkholz und Stw. Hirsch dabei. Lehrgangsleiter war OSL Sommer. Das Fach Mathematik hatten wir vormittags bei einem Reservisten mit Dienstgrad Gefreiter bei uns in der Dienststelle und nachmittags wurden wir mit einem LKW G - 5 nach Bad Doberan gefahren und hatten dort an der „ Becher – Schule “ bei zivilen Lehrern Unterricht in den Fächern Russisch, Physik und Chemie. Ich konnte den Lehrgang mit „ sehr gut “ abschließen. Wie es sich gehörte, wurden die Lehrer - auch der Gefreite - stehend begrüßt. Bei den nachfolgenden Lehrgängen war das dann schon nicht mehr üblich.


Wie schon einmal beschrieben, verfolgte mich mein zeichnerisches „ Talent “ auch in den folgenden Jahren, nun allerdings bei der Anfertigung von Gefechts - bzw. Arbeitskarten des Kommandeurs der Abteilung. An eine Karte erinnere ich mich besonders : die normale Größe einer topographischen Karte reichte nicht aus und so wurde links und rechts sowie im unteren Bereich noch in einer Breite von 50 cm Zeichenkarton angeklebt, auf dem dann z.B. die Führungsvarianten der Abteilunge dargestellt wurden. Das Anfertigen dieser Karten war stets mit einem enormen Zeitaufwand verbunden, da mir ja nur die damals üblichen einfachen Mittel zur Verfügung standen. So verbrachte ich manche Nachtstunden über diesen wunderschönen Karten. Abends kam Major Mahlke zu mir und übte seinen Entschlussvortrag, ich musste ihn abhören. Am Ende waren mir die Gefechtsmöglichkeiten unserer FRA fast geläufiger als ihm. Diese Karte war wohl mit die Beste in der ganzen Fla – Raketenbrigade gewesen. Unser Kommandeur hatte jedenfalls seinen Entschlussvortrag glänzend be - und auch überstanden. Er gab daraufhin im damaligen Leitungsspeisesaal sofort für den Stabschef und mich ein Frühstück aus und ich erhielt zusätzlich eine Geldprämie. Freude und auch ein wenig Stolz empfand ich ich darüber natürlich.

Auch später, unter dem nachfolgenden Kommandeur, Major Horst, wurde ich weiter zur Erarbeitung von Karten und anderen Dokumenten herangezogen. Nur diesmal hatte ich es ein wenig einfacher, denn Major Horst brachte einen Holzkasten mit, in dem viele schöne Zeichenutensilien untergebracht waren. Unter anderem auch wunderbare Sätze von Alu-Buchstabenschablonen, mehrere Sätze sogar. Diesen Kasten hatte ich über die ganzen Jahre in Verwahrung und hoffte dann bei seiner Versetzung eigentlich, dass er ihn vergisst. Aber Major Horst war nicht vergesslich ...


Am 25.01.1968 lernte ich auf dem Jahresabschlussfest der LPG Retschow ein Mädchen kennen, das mein weiteres Leben nun grundlegend beeinflussen sollte. Wir verstanden uns auf Anhieb. Nachdem mich unser Verbindungsoffizier ( VO, Abteilung 2000 ) nach ca. 3 Monaten mit meiner Freundin einmal gesehen hatte, fragte er mich, wer denn diese sei und was ich so vorhätte. Zu diesem Zeitpunkt wusste er aber schon mehr als ich und er eröffnete mir, dass meine Freundin eine Schwester im Westen hat und dass ich bei einem Festhalten an ihr als VS-Stellenleiter nicht mehr weiter tragbar wäre. Bereits zu diesem Zeitpunkt kam für mich eine Trennung von meiner zukünftigen Frau aber nicht mehr in Frage. Wir verlobten uns nach einem halben Jahr in meiner Heimatstadt Lengenfel / Vogtland. Und heirateten schließlich am 14.02.1969 im Geburtsortmeiner Frau, in Glashagen. Im Juni 1969 kam dann ein prächtiger Sohn zur Welt. Ich möchte hierausdrücklich darauf verweisen, dass diese meine Entscheidung von allen Seiten widerspruchslos akzeptiert wurde und ich in keiner Weise zu einem anderen Entschluss gedrängt wurde. Aber ich mußte nun meinen Posten als VS-Stellenleiter verlassen und wurde als Sachbearbeiter Bewaffnung / Munition eingesetzt. Es war ein Tausch, denn der bisherige Sachbearbeiter übernahm an meinerstatt jetzt die VS – Stelle. Sehr böse war ich allerdings auch nicht darüber, denn zu dieser Zeit war der VS-Stellenleiter früh der Erste und abends der Letzte im Stab. Nun hatte ich eine fast geregelte Dienstzeit, die mich aber nicht ausfüllte. Da es der neue VS-Stellenleiter aber mit der Ordnung und Sauberkeit nicht sonderlich genau nahm, wurde ich nach kurzer Zeit als Stellvertreter wieder eingesetzt. Nach Weggang des Hauptfeldwebels der Startbatterie meinte es das Schicksal gut mit mir, ich wurde im Herbst 1970 in diese Dienststellung eingesetzt und konnte endlich den Dienstgrad Stabsfeldwebel erreichen ! Wir waren ein gutes Vorgesetztenkollektiv : Battr. - Chef damals Hptm. Birkholz, später Hptm. Künzel, dann als Zugführer Obltn. K.- H. Schubert, Ltn. Rudolf und Stfw. Hüser. Unter dieser Führung errangen wir etliche Bestentitel auf allen Ebenen. Ende 1973 wurden alle Stabsfeldwebel eines Abends zum Kommandeur der FRA befohlen, der uns dann über die Einführung des Fähnrichkorps informierte. Die Ernennung zum Fähnrich setzte allerdings eine 25 - jährige Dienstzeit voraus. Nach Absprache mit meiner Frau war ich dazu bereit und wurde mit Wirkung vom 01.01.1974 zum Fähnrich ernannt. Die Ernennung erfolgte für den Gesamtbereich unserer Fla – Raketenbrigade am 04.01.1974 in Retschow, in der Abteilung. Vorgenommen wurde sie von Oberst Weißleder, von der 3. LVD. Anschließend gab es natürlich einen ordentlichen Umtrunk.

Im Herbst 1975 wurde ich gegen meinen Willen als Transport - und Versorgungszugführer zum PiBau - 24 nach Jänschwalde abkommandiert. Die Mehrzahl der Vorgesetzten stammte aus unterschiedlichen Einheiten / Truppenteilen, es war eine sehr bunt zusammengewürfelte Truppe. Was ich dort allerdings dann erlebte, war für mich bis dahin unvorstellbar gewesen, was militärische Disziplin und Ordnung anbelangte. Ich selbst war allein für 75 Armeeangehörige und über 30 Fahrzeuge verantwortlich. In einem einzigen Jahr, so 1975 , gab es z.B. 52 schwere besondere Vorkommnisse und in meiner 4- monatigen Zugehörigkeit wurde der jeweilige Kommandeur dreimal ausgewechselt. Etwas Positives gab es allerdings auch : der Bahnhof Jänschwalde - Ost war direkt vor dem Kasernentor. Ich war froh und erleichtert, als ich Ende April 1976 nach einer Eingabe an den Chef LSK / LV wieder in meine Abteilung zurück durfte.

Der Herbst 1976 brachte neue strukturelle Veränderungen bei der Fla - Raketentechnik. Für uns bedeutete das in erster Linie , dass uns OSL Mahlke nach 11 Jahren als Kommandeur der Abteilung verließ und nun Hptm.Horst als „ Neuer „ kam. Mit ihm lernten wir eine völlig neue Qualität der Führungs - und Leitungstätigkeit kennen. Er war anfangs für uns sehr unbequem und wir mußten vieles neu überdenken und auch tun. Da meine Planstelle als Hauptfeldwebel wegfiel, wurde ich als Leiter Med.-Punkt eingesetzt, obwohl ich von medizinischer Sicherstellung usw. überhaupt keine Ahnung hatte. Und so sollte es auch ersteinmal bleiben. Die Planstelle des Stellvertreters des Stabschefs wurde ebenfalls gestrichen und ich sollte diese Lücke helfen zu überbrücken. Die operative Arbeit im Stab war mir ja aus meiner Zeit als VS - Stellenleiter gut bekannt und machte mir auch viel Spaß. Der Leiter Med.-Punkt war zu dieser Zeit dem K - FRA direkt unterstellt. Wenn ich mich also abmelden wollte, musste ich zuerst zu ihm und erhielt dann meist als Antwort: „Ja, wenn der Stabschef nichts dagegen hat...“ Major Gambke hatte eigentlich nie etwas dagegen, denn er war ganz froh, dass er durch mich ein wenig Unterstützung hatte. Eine meiner Hauptaufgaben war u.a. die Planung der Wach - und 24 – Std.- Dienste. Bei dem geringen Personalbestand ( z.B. viele Kommandierungen ) eine nerven - und zeitraubende Arbeit. Major Horst entwickelte ein Schema, wonach täglich jede Einheit bis zum letzten Mann aufgelistet werden konnte und wir jederzeit wussten, wo es noch personelle Reserven gab. Das war natürlich schlecht für die Einheitskommandeure, die immer wieder versuchten, Leute für sich rauszuschlagen.


1978 trafen meine Frau und ich eine weitreichende Entscheidung : wir bauten ein Eigenheim undbezogen es bereits Anfang Dezember 1979. Mir ist es bis heute noch ein Rätsel, wie wir mit all den Schwierigkeiten und vorallem mit dem hohen Arbeits - und Kraftaufwand fertig geworden sind. Hervorragende Unterstützung erhielten wir durch den Betrieb meiner Frau. Der Aufwand hat sich aber gelohnt und wir haben uns ein schönes Anwesen geschaffen. Inzwischen gehörte ich wieder zu den Rückwärtigen Diensten und mit dem Weggang von Major Gambke zog ich mich aus dem Stab zurück und widmete mich voll meiner Funktion als Leiter Med. - Punkt. Es begann ein intensiver Lernprozess und ich bestand als Laie immerhin 1981 die Klassfikationsstufe III und dann im Jahre 1982 die Klassifikationsstufe II. Alle Prüfungen und Kontrollen brachten gute und ausgezeichnete Noten. Da aber ein Leiter Med.-Punkt nicht so richtig ausgelastet war, hatte ich auch hier wieder mit Sonderaufgaben zu tun. Unsere Sachbearbeiterin für Verpflegung musste entlassen werden und ich übernahm dieses Sachgebiet zusätzlich. Wieder ein völlig neues und unbekanntes Aufgabengebiet, welches zudem sehr arbeitsintensiv war. Bei einer Kontrolle durch die 3. LVD waren der Divisionsarzt, OSL Böckel, und der Leiter Unterabteilung, OSL Funk, zunächst sehr erbost darüber, dass ich für beide Funktionen verantwortlich war und sie als jeweils Kontrollierende nicht uneingeschränkt über mich verfügen konnten. Sie einigten sich aber irgendwie und ich bekam für beide Bereiche gute Noten. Entwarnung für mich gab es dann endlich im Jahre 1982, als Hptm.Reinhold als neuer Stellverteter für Rückwärtige Dienste zuversetzt wurde und seine Frau als Sachbearbeiterin für Verpflegung diesen Bereich übernahm.
Als Dienstgradhöchster musste ich natürlich auch den StKRD bei dessen Abwesenheit vertreten. Das war sehr oft und manchmal auch sehr lange. Einige wenige Stellvertreter des Abteilungskommandeurs versuchten zwar, mir dann das Leben schwer zu machen, aber die Kommandeure der Abteilung, Major W. Schmidt und vor allem OSL Kubicki, unterstützten mich recht gut und standen hinter meinen Entscheidungen. Am 30.11.1986 wurde ich in Ehren und mit allen Ehrungen aus dem aktiven Wehrdienst entlassen .... „ - Fortsetzung folgt.